DVB-T2 stört öffentliche Veranstaltungen in Hamburg

DVB-T2 stört öffentliche Veranstaltungen in Hamburg

DVB-T2 stört öffentliche Veranstaltungen in Hamburg 1181 787 SOS - Save our Spectrum

Auch eine Schaufütterung im Tierpark Hagenbeck war von den Funkstörungen betroffen. Zu sehen ist Tierpfleger Dirk Stutzki mit einem Walross – hier mit funktionierendem Headset. Foto: © Götz Berlik

Es war eine der größten Umschaltaktionen der Rundfunkgeschichte: In der Nacht vom 28. auf den 29. März 2017 wurde in großen Teilen Deutschlands die Fernsehübertragung per DVB-T beendet. Seitdem ist das digitale Antennenfernsehen im neuen Standard DVB-T2 HD zu empfangen. Gleichzeitig wurden viele TV-Kanäle auf neue Frequenzen umgestellt, um im 700-MHz-Band Platz für den Mobilfunk zu machen. Was die Sendernetzbetreiber stolz „Magic Night“ nannten, hatte auch außerhalb des Fernsehens „magische“ Auswirkungen. Leider jedoch nicht im positiven Sinne: In Hamburg wurden bei öffentlichen Veranstaltungen mit teils hunderten Teilnehmern drahtlose Mikrofone gestört. Ebenso überrascht wie die Technikanwender war offenbar die Bundesnetzagentur am Standort Bremen. Sie hatte vorab keine Warnung veröffentlicht.

Ausfälle von Funkmikrofonen im ganzen Stadtgebiet

An der Universität Hamburg konnte eine Buchpräsentation mit 500 Gästen nach erheblichen Störungen nur knapp gerettet werden, ebenso ein interner Event einer großen Versicherung. Die Krönung: Im Tierpark Hagenbeck konnte Tierpfleger Dirk Stutzki bei der Schaufütterung im „Eismeer“ sein Headset nicht verwenden. Um die Fütterung nicht absagen zu müssen und das bereits versammelte Publikum nicht zu enttäuschen, wählte er den einzig möglichen Weg: Er schrie seine Erläuterungen deutlich lauter als sonst. Die Eisbären, Walrosse und Pinguine fanden das sicher ebenfalls ungewöhnlich.

Ahnungslosigkeit bei der Bundesnetzagentur

Niels Kleenworth, Geschäftsführer der arentis veranstaltungstechnik GmbH.

Niels Kleenworth, Geschäftsführer der arentis veranstaltungstechnik GmbH, berichtet: „Im Hamburger Stadtgebiet waren jeweils Frequenzen im gebührenpflichtigen B-Band, dem Bereich zwischen 626 und 648 MHz betroffen. Im Tierpark Hagenbeck, bei Firmenveranstaltungen und an der Universität sind im Tagesbetrieb keine Veranstaltungstechniker anwesend. Die Mikrofonnutzer waren hilflos, wir mussten Noteinsätze fahren, um die Veranstaltungen überhaupt zu ermöglichen. Für mich persönlich der größte Hammer: Die Bundesnetzagentur wusste von nichts und hat offenbar erst durch meinen Anruf von den Störungen erfahren. Nach kurzen Nachforschungen konnte man mir immerhin mitteilen, dass sie auf einen neuen DVB-T2-Sender zurückzuführen sind. Von einer Bundesbehörde, die als Herr über das Frequenzspektrum Gebühren für Frequenzzuteilungen verlangt, erwarte ich etwas anderes. Eine offizielle Information vorab wäre äußerst hilfreich gewesen.“

Zuspitzung droht bis 2019

„Leider sind die Vorfälle in Hamburg nur die Spitze des Eisberges“, erklärt Helmut G. Bauer, Gründer der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“. „Das eigentliche Problem steht uns erst noch bevor: Durch die Räumung des 700 MHz-Bandes wird das Frequenzspektrum für drahtlose Produktionsmittel bis 2019 immer knapper werden. Momentan kann man häufig noch auf andere Kanäle ausweichen, wenn die bisherigen Frequenzen gestört sind. Schon bald gibt es aber vielerorts keine Garantie mehr, noch freie Frequenzen zu finden. Eine ernsthafte Bedrohung für die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren vielen Veranstaltungen.“

„Digitale Dividende 2“ als Ursache

Das digitale Antennenfernsehen und drahtlose Produktionsmittel teilen sich das UHF-Funkspektrum. Als Sekundärnutzer senden drahtlose Produktionsmittel in den Lücken zwischen den TV-Kanälen. Da mit der „Digitalen Dividende 2“ ein erheblicher Teil dieses Spektrums an den Mobilfunk versteigert wurde, werden diese Lücken immer weniger. Es verbleibt der Frequenzbereich 470 – 694 MHz zur gemeinsamen Nutzung. Mit der Umstellung auf DVB-T2 sind oft auch Kanalwechsel verbunden. Dadurch belegt das Fernsehen mit seinen viel stärkeren Sendesignalen dauerhaft Frequenzen, die früher für drahtlose Produktionsmittel offen waren.

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